Bini Pötter im Nahen Osten

Neulich bekam ich per SMS eine Einladung. Meine Nachbarin Bini Pötter lud für Dienstagvormittag zum Teetrinken. Wobei „einladen“ es nicht trifft, vielmehr wurde ich „einbestellt“.

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Neulich bekam ich per SMS eine Einladung. Mein Handy informierte mich, dass Nachbarin Bini Pötter für Dienstagvormittag zum Teetrinken einlud. Wobei „einladen“ es nicht trifft, vielmehr wurde ich „einbestellt“. Man muss wissen, Bini schreibt WhatsApp-Nachrichten mit einer Funkdisziplin wie beim militärischen Fernmeldedienst (Tee Di 11h).

Bei Tee mit extra-feinen Kluntjes aus nagelneuen zartwandigen Porzellan-Tassen informierte Bini, sie sei mit der Seniorengruppe auf Werbefahrt gewesen – und zwar im Nahen Osten. Prustend fragte ich entsetzt: „Um Gottes Willen, wo?“ „Im Nahen Osten“, wiederholte sie und erklärte, „also in Westrhauderfehn, was für Bad Papenburger ja rein geografisch nah und östlich liegt.“ Sie berichtete, man habe dort zuerst eine Kunstausstellung besucht. Allerdings seien die Bilder derart mies gewesen, dass sie selbst einem Salvador Dali das Mittagessen versaut hätten. Im Anschluss kam der klebrige Bienenstich einer Kampfansage an die Haftcreme gleich, und der Kaffee war so dünn, dass Bini ihn als „Babbelwater“ und „unter ihrer Würde“ beschrieb. Auf der Verkaufsveranstaltung schlug Bini dann richtig zu: vier große Eimer Moorhonig, zwei Steakmessersets (je 72-teilig) und drei Paar strahlen- und magnetfeldresistente Frotteebezüge für Oberbett samt Matratze im Wert eines Kleinwagens. Überdies fiel auf, dass meine Nachbarin eine nicht ganz billige Designer-Schürze sowie exklusiven Goldschmuck um den Hals und an den großen Rentnerohren trug. Kurzum: Bini war gekleidet wie eine Dame, die sich keiner Konsumbeschränkung unterwerfen muss. Eine Seniorin, die, um zu kaufen, nichts brauchte als einen Grund. Auf meine Frage, ob sie im Lotto gewonnen habe, antwortete Bini, erstens nein, zweitens, dass sie das nicht nötig habe und setzte drittens zu einer Erklärung an. So suchte sie zwecks Beschwerde ihr Deluxe-Kreditinstitut auf, das dereinst als Kreissparkasse firmierte. Zuvor hatte man ihr ein kostspieliges Kontomodell untergejubelt, mit dem sie nichts anzufangen wusste. Am Bankschalter habe dann ein Wort das andere gegeben und es fielen Begriffe wie „Knieskopp“, „Smuu“ und „Bangemaken“. Als man sich schließlich doch irgendwie einigte, blieb Binis Konto gebührenfrei. Im Gegenzug wurde sie nach Aushebelung der Kreditbremse stolze Besitzerin eines sechsstelligen Sondervermögens.

Ich verzichtete, Einzelheiten zu erfragen und von Zinsen, Tilgung oder gar Schulden zu sprechen. Was will man auch erwarten, wenn es die große Politik dem kleinen Sparer vormacht. Betrachtet man die Geschehnisse nach der Wahl, bekommt der Begriff „schwarzer Humor“ mit Blick auf Merz und Union eine ganz neue Bedeutung. In Nahost, also wir Ostfriesen sagen übrigens: „Lüttje Vögels bauen lüttje Nüsten.“

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